Götter, Gamer und Geschichte: Das Bayerische Forschungszentrum für Interreligiöse Diskurse auf der Langen Nacht der Wissenschaften
Rund 27.000 Besucherinnen und Besucher machten die 12. Lange Nacht der Wissenschaften zu einem vollen Erfolg. Während an vielen der 130 Orte in Nürnberg, Fürth und Erlangen Technik und Naturwissenschaften im Vordergrund standen, setzte das Bayerische Forschungszentrum für Interreligiöse Diskurse (BaFID) einen entscheidenden Kontrapunkt: Es zeigte auf, wie eng Religion, Popkultur und gesellschaftliche Verantwortung heute miteinander verwoben sind.
Das Interesse an Wissenschaft und Forschung im Städtedreieck ist ungebrochen hoch. Auch die Veranstalter (Kulturidee GmbH) zeigten sich beeindruckt vom massiven Zuspruch, der das Niveau von 2023 erreichte, und hoben den gelungenen Austausch zwischen Forschenden und der Öffentlichkeit hervor. Inmitten dieses Trubels bot das BaFID ein vielfältiges Programm, das von theologischen Analysen aktueller Videospiele bis hin zur meditativen Praxis der Kalligraphie reichte.
Wenn der Glaube „ausgepackt“ wird: Religion in der Popkultur
Dass religiöse Themen längst die digitalen Kinderzimmer und Wohnzimmer erreicht haben, verdeutlichten Dr. Nathanael Riemer und Denise Scheuerer. Ihr Beitrag „Unboxing der Götter und Heiligen“ beleuchtete ein kaum bekanntes Phänomen auf YouTube: Das Auspacken und Inszenieren von religiösem Spielzeug. Die Forschenden zeigten, dass diese Videos weit mehr als Unterhaltung sind – sie fungieren als Spiegel in eine plurale Gesellschaft. Und religiösen Spielsachen können als Bildungsinstrumente eine Rolle bei der Integration spielen.
Ergänzend dazu nahm Dr. Riemer die Welt der Erwachsenenunterhaltung unter die Lupe. Im Vortrag „(Mit) Gott spielen“ analysierte er Blockbuster-Games wie „Detroit: Become Human“. Wenn in virtuellen Welten Androiden nach dem Ebenbild des Menschen geschaffen werden und Prediger vor Technologie warnen, werden uralte theologische Fragen in neuem Gewand verhandelt.
Ernste Fragen und historische Spurensuche
Das BaFID scheute auch vor ernsten geopolitischen Themen nicht zurück. Ramy Abdin verknüpfte in seinem Vortrag „Overkill“ die aktuelle Angst vor einem Atomkrieg mit islam-rechtlichen und religionsphilosophischen Überlegungen. Ausgehend von der „Doomsday Clock“ interpretierte er das koranische Motiv der „Stunde“ (sāʿa) im Kontext moderner Massenvernichtungswaffen und Künstlicher Intelligenz.
Einen tiefen Blick in die Geschichte der interreligiösen Beziehungen warfen zwei weitere Projekte des Forschungszentrums:
- Jona jenseits des Walfischs: PD Dr. Christian Lange präsentierte ein internationales Forschungsprojekt, das den biblischen Propheten Jona transdisziplinär untersucht. Der Vortrag machte deutlich, dass die Rezeption dieser Figur in Judentum, Christentum und Islam weit komplexer ist als die bekannte Geschichte vom Überleben im Fischbauch.
- Architektonische Symbiose: Jan Gehm entführte das Publikum nach Spanien zur Moschee-Kathedrale von Córdoba. Als UNESCO-Weltkulturerbe dient dieses Bauwerk als steinernes Zeugnis der wechselvollen Geschichte zwischen Islam und Christentum auf der Iberischen Halbinsel – von der emiratischen Moschee bis zur christlichen Kathedrale.
Hands-on: Die Ästhetik der Schrift
Einen praktischen Ausgleich zu den theoretischen Diskursen bot das Atelier für Arabische Kalligraphie. Ganz im Sinne der Veranstalter, die das hohe Interesse an Mitmach-Aktionen betonten, war auch hier die Neugier groß. Unter der Anleitung von Zuheir Elia tauchten die Besucher in die meditative Kunst des Schreibens ein und erfuhren dabei Spannendes über die kulturelle Tiefe der arabischen Schriftzeichen.
Ein Fazit
Die Lange Nacht der Wissenschaften hat erneut bewiesen, wie wichtig der Dialog zwischen Akademie und Gesellschaft ist. Das Bayerische Forschungszentrum für Interreligiöse Diskurse nutzte diese Bühne erfolgreich, um zu zeigen, dass religionswissenschaftliche Fragestellungen unverzichtbare Werkzeuge sind, um sowohl unsere Geschichte als auch moderne Medienphänomene zu verstehen. Ob durch die Linse eines Videospiels, die Analyse antiker Texte oder den Schwung einer Schreibfeder – die Geisteswissenschaften bieten unverzichtbare Orientierung in einer komplexen Welt. Die neugierigen Fragen und leuchtenden Augen der Besucher waren der beste Beweis dafür.





















